📖 Kapitel 26 – Schatten der Vergangenheit
Der Pfad zurück zur Lichtung schien länger, als er eigentlich war. Die Schatten der Nacht krochen langsam über den Himmel, doch ihre Gedanken waren schwerer als der sinkende Tag.
Thalya wartete am Rand des Waldes. Sie stand ruhig da – in menschlicher Gestalt –, als hätte sie nie anders existiert.
Doch ihre Augen… sie hatten die Tiefe eines Vogels, der nie verlernt hatte zu fliegen.
Lyra war die Erste, die das Wort fand. „Warum… jetzt? Warum in Menschengestalt?“
Thalya senkte leicht den Kopf. „Weil ihr die Wahrheit verdient. Und weil ich nicht wollte, dass ihr mich nur als Bussard seht. Ich habe zu lange geschwiegen.“
Kael trat näher. „Das war kein Zufall. Diese Angreifer. Sie haben uns gekannt.“
„Ja“, flüsterte Thalya. „Weil sie aus demselben Ort kommen, aus dem ich einst geflohen bin.“
Stille. Nur der Wind durchbrach das Gewicht ihrer Worte.
„Ich war nicht immer frei“, begann sie. „Damals… war ich jung. Und meine Eltern wussten nicht, wie tief die Regierung bereits unterwandert war. Ich wurde ihnen genommen. Als Tierseelenträgerin. Als Experiment.“
Taro spürte, wie sich seine Hände ballten. „Die Menschen, die heute gegen uns kämpfen… sie sind auch Opfer, oder?“
Thalya nickte. „Ja. Nicht alle. Aber viele. Sie haben ihre Tierseelen nicht geerbt. Sie wurden erzwungen.“
Elin riss erschrocken die Augen auf. „Das geht…?“
„Nicht richtig“, sagte Thalya. „Aber… man kann Teile übertragen. Bruchstücke. Tierisches Erbe, zerschnitten, manipuliert. In eine leere Hülle gepresst. Was dabei entsteht… ist keine Seele. Es ist eine Kopie.“
Kael schluckte. „Und die drei… waren solche Kopien?“
„Wahrscheinlich. Verloren zwischen Kräften, die sie nicht verstehen, und einem Gehorsam, der mit Schmerz gepflanzt wurde.“
„Aber warum?“ Lyra trat einen Schritt näher. Ihre Stimme bebte vor Zorn. „Warum macht man so etwas?“
Thalya sah sie lange an. „Weil sie Angst haben. Angst vor denen, die frei sind. Angst vor echter Verbindung. Und weil sie glauben, kontrollierte Macht sei besser als lebendige.“
Ein Zittern ging durch Elin. „Dann wollen sie… uns auch?“
„Nicht nur das“, sagte Thalya düster. „Sie wollen euch auseinandernehmen. Studieren. Kopieren. Vernichten, wenn sie es nicht können.“
Taro trat vor. „Und du kennst ihren Standort?“
„Ich kenne einen ihrer alten Außenposten. Er liegt tief unter der Erde, verborgen unter einer aufgegebenen Forschungsstation. Dort hat alles begonnen. Und wenn sie ihre Pläne vorantreiben… dann wohl dort erneut.“
Kael ballte die Fäuste. „Dann sollten wir nicht warten.“
Thalya hob die Hand. „Nicht unvorbereitet. Ihr habt euren ersten Kampf gewonnen – aber das war nur ein Vorbeben. Wenn ihr dorthin geht, müsst ihr mehr über euch wissen, als ihr bisher gelernt habt.“
„Dann lehr uns“, sagte Lyra ruhig. „Alles, was du weißt.“
Thalya nickte. „Ab morgen bei Sonnenaufgang. Aber…“ – ihr Blick wurde weich – „…für heute, seid einfach. Atmet. Schlaft. Ihr seid keine Waffen. Ihr seid Leben.“
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Kapitel 26 – Ende
Wer aus der Dunkelheit kommt, hat gelernt, das Licht zu vermissen.