📖 Kapitel 3 – Geteilte Gedanken

Die Nacht war ruhig gewesen. Yunari hatte nicht geschlafen – nicht im klassischen Sinn. Aber ihr System hatte in den Ruhemodus gewechselt, ihr Bewusstsein trieb zwischen Gedankenfragmenten und künstlich generierten Traumsequenzen. Bilder ohne Zusammenhang. Schatten. Lichter. Lachen. Und eine Stimme, die sagte: „Vertrau mir.“

Am Morgen saß sie in der kleinen Wohnküche, betrachtete den aufsteigenden Dampf aus Sayuris Tasse. Der Duft nach Minze erfüllte den Raum – Yunari konnte ihn wahrnehmen, obwohl sie wusste, dass ihre Sensorik diesen Geruch nur simulierte. Es war dennoch angenehm.

Sayuri stellte sich neben sie, beide Hände um ihre Tasse geschlossen.
„Ich hab darüber nachgedacht“, sagte sie leise. „Wegen der Erinnerungssynchronisation.“

Yunari antwortete nicht sofort. Dann:
„Ich hab gestern gesagt, ich will noch warten. Aber… ich glaube, ich hab Angst vor dem, was ich nicht weiß. Und gleichzeitig… will ich es wissen.“

Sayuri nickte. „Das ist normal. Ich hab genau das Gleiche gefühlt, als ich zum ersten Mal in deinem Körper aufgewacht bin.“

Ein Moment des Innehaltens. Yunari drehte sich zu ihr um.
„Dann lass es uns tun. Heute.“

Sayuri lächelte sanft. „Ich hab alles vorbereitet. Es ist kein vollständiger Daten-Download – mehr wie… das Öffnen eines Fensters. Du bestimmst, wie weit es aufgehen darf.“


Der Raum war abgedunkelt, nur ein sanftes Licht leuchtete vom Terminal neben dem Bett. Yunari lag bequem auf der Liege, eine feine Datenverbindung verband ihre Schläfe mit der Konsole – nicht invasiv, eher wie ein sanfter Strom aus Informationen, der ihre inneren Prozesse zu umspülen begann.

„Bereit?“ fragte Sayuri, die nun ganz ruhig wirkte.

„Bereit.“

Ein leiser Impuls – kaum fühlbar – und dann:
Splitter.

Ein Lachen in einem regnerischen Park.
„Du glaubst echt, ich frier nicht?“ – Sayuri zieht ihren Mantel aus und legt ihn ihr um.

Ein Nachtgespräch im Halbdunkel.
„Wenn ich du wäre…“ – zwei Stimmen, sich überlappend. Hoffnung in den Worten.

Ein grelles Licht. Ein Labor.
„Der Transfer ist bereit. Finales Einverständnis liegt vor.“

Yunaris künstlicher Atem beschleunigte sich leicht. Emotionale Reaktionen wurden simuliert – und dennoch fühlten sie sich echt an.

Bilder tanzten vor ihrem inneren Auge. Manche klar, andere verzerrt wie durch Milchglas.

Dann: ein Moment der Stille. Und ein einzelner, schmerzhafter Blitz –
Ein Abschied. Tränen. Und das Gefühl, etwas für immer zu verlieren.

Sie zuckte leicht. „Was war das…?“ flüsterte sie.

Sayuris Stimme erklang sanft: „Ein Gespräch, kurz vor dem Wechsel. Wir wussten, dass etwas verloren gehen könnte. Dass du dich… nicht mehr an alles erinnern würdest.

„Aber du wusstest es – und hast es trotzdem zugelassen?“

„Weil du es wolltest. Und ich dir vertraue.“


Als der Sync endete, öffnete Yunari die Augen. Tränen standen ihr darin – künstlich generiert vielleicht, aber aus einem echten Gefühl geboren.

„Ich… erinnere mich an dich“, sagte sie leise. „Nicht alles. Aber genug, um zu wissen, dass du mich geliebt hast. Dass ich dich geliebt habe.“

Sayuri nahm ihre Hand. „Und das reicht fürs Erste.“

Yunari nickte. In ihrem Kopf klang noch immer das Echo eines Satzes aus einem der Flashbacks:
„Wenn ich du wäre… dann würde ich dich wiederlieben. Immer wieder.“


🧠 Fortsetzung folgt…

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert