Kapitel 4: Das Flüstern der Schatten

Der Wald war wieder still, doch die Ereignisse hallten in Jennifers Gedanken nach. Der Kampf hatte nicht nur ihre Fähigkeiten als Gestaltenwandlerin auf die Probe gestellt, sondern auch etwas Dunkles in die Welt gebracht, das noch nicht vollständig verschwunden war.

„Warum war dieser Bär so… anders?“ fragte sie schließlich, als sie zusammen mit Kaela, Alric und Taron durch den nächtlichen Wald zurück zur Lichtung lief.

„Die Dunkelheit hat ihre Wege, Wesen zu korrumpieren,“ erklärte Taron, sein Blick ernst. „Manchmal nimmt sie einfach Besitz von einem Gestaltenwandler und verdreht ihn. Und manchmal… manchmal lässt sie etwas entstehen, das gar nicht wirklich lebendig ist.“

„Was wir gerade bekämpft haben, war ein Konstrukt,“ fügte Kaela hinzu. „Es sah aus wie ein Bär, aber es war kein richtiger. Es war ein Werkzeug, das geschickt wurde, um uns zu testen – oder uns zu warnen.“

Jennifer spürte einen kalten Schauer über ihren Rücken laufen. „Wer würde so etwas tun?“

„Die Schatten,“ sagte Alric knapp, seine Stimme kaum mehr als ein Knurren.

„Die Schatten?“

Taron blieb stehen und sah Jennifer direkt in die Augen. „Die Schatten sind eine uralte Kraft, Jennifer. Sie existieren schon seit Anbeginn der Gestaltenwandler, ein Gegenpol zu unserem Licht. Manche sagen, sie sind das Ergebnis von zu viel Macht in den falschen Händen. Andere glauben, dass sie einfach immer da waren, ein Teil des Gleichgewichts.“

Kaela nickte. „Egal, was sie sind – eines ist sicher: Sie versuchen immer, mehr Territorium und mehr Seelen zu gewinnen.“

„Und wir stehen jetzt auf ihrer Liste?“ fragte Jennifer.

„Genau,“ bestätigte Alric. „Weil du eine Besonderheit bist.“

Jennifer runzelte die Stirn. „Warum ich?“

„Weil du zwei Gestalten hast, die so gegensätzlich und doch mächtig sind,“ erklärte Taron. „Adler und Raubkatze – Luft und Boden, Geist und Körper. Du bist eine Verbindung zwischen den Welten, Jennifer. Und das macht dich zu einer Bedrohung für die Schatten.“

Jennifer schluckte schwer. Die Verantwortung lastete plötzlich schwer auf ihr, doch gleichzeitig spürte sie ein brennendes Feuer der Entschlossenheit. Sie wollte kämpfen, um die Welt der Gestaltenwandler zu schützen – und ihre eigene neue Familie.

Plötzlich blieb Alric stehen, seine Ohren gespitzt. „Hört ihr das?“

Alle hielten inne. Jennifer konzentrierte sich, und dann hörte sie es auch: ein leises, flüsterndes Murmeln, das von den Bäumen zu kommen schien. Die Worte waren unverständlich, doch sie klangen bedrohlich, wie ein Gift, das sich langsam in die Luft mischte.

„Das ist Schattenmagie,“ sagte Kaela. „Wir müssen vorsichtig sein.“

Doch bevor jemand reagieren konnte, verdichteten sich die Schatten um sie herum. Aus dem Nichts erschienen dunkle Gestalten, nebelartig, aber mit scharfen Klauen und glühenden Augen.

„Eine Falle!“ rief Taron.

Jennifer spürte, wie die Energie in ihr aufstieg. Sie verwandelte sich wieder in ihre Raubkatzenform, bereit zu kämpfen. Kaela wurde zum Phönix, ihre Flügel warfen ein goldenes Licht in die Dunkelheit. Alric verwandelte sich in seinen Wolf und knurrte tief, während Taron seine Drachenform annahm und eine Welle von goldenem Feuer ausstieß.

Die Schattenwesen schienen unbeeindruckt. Sie griffen an, ihre Klauen scharf wie Messer. Jennifer wich aus und schlug mit ihren Pranken zurück, doch ihre Klauen schienen durch die Schatten hindurchzugehen, als bestünden sie aus Nebel.

„Wir können sie nicht mit Kraft besiegen!“ rief Taron. „Wir müssen ihr Zentrum finden – den Fokus, der sie zusammenhält!“

„Wo ist es?“ rief Kaela, während sie eine Welle von Funken über die Angreifer regnen ließ.

Jennifer blickte sich hektisch um, ihr Herz raste. Dann sah sie es: eine kleine, schwarze Kugel, die zwischen den Wurzeln eines Baumes schimmerte, kaum sichtbar im Chaos. „Da drüben!“ rief sie und deutete mit ihrer Pfote darauf.

„Ich lenke sie ab!“ sagte Alric, sprang vor und riss mit seinem Gewicht mehrere Schattenwesen um.

Jennifer nutzte die Gelegenheit. Mit der Schnelligkeit ihrer Raubkatze raste sie auf die Kugel zu, sprang darüber und landete mit einem gezielten Schlag ihrer Pranke darauf.

Die Kugel zersprang mit einem ohrenbetäubenden Knall, und die Schattenwesen zerfielen augenblicklich. Der Wald wurde wieder still, als hätte nichts davon jemals stattgefunden.

Jennifer verwandelte sich zurück, keuchend, aber erleichtert. „Haben wir es geschafft?“

Taron nickte, seine goldenen Augen funkelten. „Für den Moment, ja. Aber die Schatten werden nicht aufgeben. Sie wissen jetzt, dass du eine Bedrohung bist.“

Kaela legte Jennifer eine Hand auf die Schulter. „Und genau deshalb müssen wir dich jetzt ausbilden. Du bist stärker, als du denkst, Jennifer, aber wir müssen deine Kräfte vollständig entfalten, wenn wir diese Dunkelheit besiegen wollen.“

Jennifer nickte, ihre Entschlossenheit wuchs mit jedem Moment. „Dann lasst uns anfangen. Ich will bereit sein, wenn sie wiederkommen.“

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