📖 Kapitel 21: Eins mit der Tiefe

Stille.

Keine bedrohliche, keine leere. Sondern eine Stille, die voller Leben war. Jeder Wasserwirbel, jede winzige Strömung erzählte ihr etwas – und Jennifer hörte es. Nein… sie fühlte es. Zum ersten Mal war sie nicht einfach unter Wasser. Sie war Wasser.

Ihr Körper war geschmeidig, leicht, als hätte sie nie Beine gehabt. Ihre Hände, nun mit feinen Flossen durchzogen, glitten mühelos durch das Meer, als wären sie Teil davon. Ihr Blick war klar – nicht mehr getrübt wie zuvor. Die Farben leuchteten intensiver, die Bewegungen der anderen waren plötzlich wie Muster in einem Tanz, den sie instinktiv verstand.

Sie drehte sich im Wasser, vollführte eine elegante Spirale. Und ein Lächeln breitete sich aus. Nicht auf Lippen – denn sie hatte keine menschlichen Lippen mehr – sondern tief in ihrer Seele.

„Ist das… Freiheit?“ dachte sie. Nein. Es ist mehr.

Da war kein Gewicht, keine Angst mehr. Kein Gedanke an Vergangenheit, Fehler oder Versagen.
Nur ein klares Gefühl: Ich bin richtig. Ich bin ich. Und ich bin… vollständig.

Ein leiser Ruf drang durch das Wasser. Kein Laut – ein Gefühl. Kaela.

Jennifer wirbelte herum und schwamm auf ihre Freundin zu, die noch immer halb menschlich wirkte. Ihre Beine bewegten sich ungeschickt, während sie versuchte, mit ihren schwimmhautbespannten Händen Tritt zu fassen.

Jennifer legte sanft ihre Flosse an Kaelas Stirn. Kein Wort. Aber Kaela schnappte leicht nach Luft – und spürte es. Diese tiefe Verbindung, diesen warmen Strom, der von Jennifer ausging. Ein Strom, der sie nicht drängte, nicht urteilte – sondern einlud.

„Wenn du bereit bist, dann komm.“

Kaelas Augen füllten sich mit Tränen – Salz vermischte sich mit Meerwasser. Sie nickte.

In diesem Moment wusste Jennifer: Sie war nicht allein. Nicht in diesem Wandel, nicht in dieser Tiefe. Die anderen waren da – und sie würden ihren Weg finden. In ihrem Tempo. In ihrer Form.

Doch Jennifer hatte ihren Platz gefunden.

Und als sie sich aufrichtete – glitzernd, leuchtend, umflossen von Wellen und einem zarten blauen Schein – sang das Wasser um sie herum. Kein Lied mit Worten. Sondern ein Lied aus Gefühlen, Erinnerungen und Möglichkeiten.

Ein Lied, das nur diejenigen hören konnten, die die Tiefe wirklich angenommen hatten.

Und in der Ferne – regte sich etwas. Aqualyns Herz. Noch verborgen. Noch wartend.
Aber es hatte Jennifer gesehen.

Und es würde sie bald rufen.


Fortsetzung folgt in Kapitel 22…

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