Kapitel 15: Der Spiegel der Wahrheit
Nach einer kurzen Verschnaufpause in den Ruinen erhellte ein pulsierendes Licht den nächsten Durchgang. Es führte die Gruppe zu einer großen, kreisrunden Halle. In der Mitte stand ein gewaltiger, schimmernder Spiegel, umgeben von uralten Runen, die in einem hellen, silbrigen Licht glühten.
Die Gestalt aus Dunkelheit tauchte erneut auf. „Die zweite Prüfung liegt vor euch. Dies ist der Spiegel der Wahrheit. Jeder von euch wird sich seinen tiefsten Ängsten stellen müssen, um weiterzukommen.“
Jennifer sah den Spiegel an und spürte ein Unbehagen. Der Rahmen war mit Symbolen verziert, die sich ständig zu verändern schienen. Kaela legte eine beruhigende Pfote auf Jennifers Schulter. „Wir schaffen das zusammen,“ sagte sie, ihre Stimme ruhig, obwohl auch in ihren Augen ein Hauch von Sorge lag.
Die Gestalt erklärte weiter: „Ihr werdet nacheinander vor den Spiegel treten. Ihr müsst euch euren Ängsten stellen und die Wahrheit akzeptieren, die er euch zeigt. Nur dann werdet ihr bestehen.“
Alric trat als Erster vor den Spiegel. Sein Falkenmut schien unerschütterlich, doch als er hineinblickte, erstarrte er. Der Spiegel zeigte ihn allein, ohne seine Gruppe, von einer endlosen Dunkelheit verschlungen. Seine größte Angst war Einsamkeit.
„Du bist stärker, als du denkst,“ flüsterte eine Stimme aus dem Spiegel, „wenn du lernst, auf andere zu vertrauen.“ Alric schloss die Augen, atmete tief durch und nickte. „Ich vertraue ihnen.“ Der Spiegel ließ ihn passieren, und er kehrte zur Gruppe zurück.
Kaela war als Nächste dran. Der Spiegel zeigte sie, wie sie ihre Flügel verlor, ihr Glanz erlosch, und sie als einfacher Vogel zurückblieb. „Die Angst, deine Einzigartigkeit zu verlieren,“ sprach die Stimme. Kaela schluckte schwer. „Ich bin mehr als meine Gestalt. Ich bin, wer ich bin, auch ohne Magie.“ Mit diesen Worten bestand sie die Prüfung.
Taron stand zögernd vor dem Spiegel. Der Drache, der sonst so mächtig wirkte, zeigte sich in Flammen, unkontrolliert und zerstörerisch. „Deine Angst ist deine eigene Kraft,“ sagte die Stimme. Taron schüttelte den Kopf. „Meine Kraft kann auch schützen. Ich werde sie nutzen, um die zu verteidigen, die mir wichtig sind.“
Nun war Jennifer an der Reihe. Sie trat vor den Spiegel, das Herz schlug ihr bis zum Hals. Der Spiegel zeigte eine erschreckende Vision: Sie verwandelte sich nicht mehr in ihre Tiergestalten, blieb gefangen in ihrer menschlichen Form, verloren in der magischen Welt ohne Verbindung zu den anderen.
„Du hast Angst, deine Freiheit zu verlieren,“ sagte die Stimme sanft. Jennifer schluckte schwer. „Ja… aber ich habe auch gelernt, dass ich nie allein bin. Mit der richtigen Stärke und meinen Freunden kann ich jede Einschränkung überwinden.“
Der Spiegel erstrahlte in einem warmen Licht, und Jennifer fühlte eine Kraft in sich, als hätte sie eine neue Ebene ihrer Verwandlung erreicht.
Die Gruppe hatte auch die zweite Prüfung bestanden, doch als sie sich wieder vereinte, sprach die Gestalt aus Dunkelheit: „Ihr seid stark, das ist wahr. Aber die letzte Prüfung wird euch mehr abverlangen, als ihr euch vorstellen könnt.“
Jennifer spürte eine Mischung aus Anspannung und Entschlossenheit. „Was auch immer kommt, wir sind bereit.“