📖 Prolog: Der Wunsch
Schon als Kind hatte Yunari gewusst, dass sie anders war.
Während andere Mädchen sich an Händen hielten und Jungen lachend durch die staubigen Gassen rannten, saß sie lieber allein in ihrem Zimmer, vertieft in Geschichten über die Androiden, die irgendwo da draußen in den offenen Städten lebten. Ihre Eltern hatten das nie verstanden. „Wir sind rein“, sagten sie. „Wir leben echt. Du bist nicht wie sie.“
Doch für Yunari fühlte sich „echt“ nie wie genug an. Die Welt der Menschen war laut, urteilend, voller Erwartungen, denen sie nie gerecht werden konnte. Androiden hingegen – sie waren anders. Nicht weil sie programmiert waren. Sondern weil sie zuhörten. Fragten. Respektierten.
Als sie fünfundzwanzig wurde, verließ sie ihre Heimat. Sie hatte gespart, gearbeitet, verzichtet. Fünf Jahre lang hatte sie für diesen einen Moment gelebt. Die Übergabe fand in einem neutralen Übergangsdistrikt statt – weit entfernt von den reinen Zonen.
Sie erinnerte sich noch genau, wie Sayuri aussah, als sie sie das erste Mal sah: lange brünette Haare, hellhäutig, ruhig, fast wie eine Statue – und doch voller Wärme, sobald sie sprach. Sie war kein Massenmodell. Sie war für sie gemacht worden.
„Ich bin Sayuri“, sagte die Androidin, und es klang wie Musik.
Was folgte, war keine sofortige Verschmelzung. Es war ein langsames Annähern. Fünf Jahre des Verstehens, des Zusammenlebens, des Träumens. Yunari hatte sich nie sicherer gefühlt. Nie freier. Nie mehr sie selbst.
Und an ihrem dreißigsten Geburtstag – dem Tag, an dem sie sich einst selbst versprochen hatte, wirklich zu leben – erfüllte Sayuri ihr ihren größten Wunsch.
Der Wunsch, die Welt für einmal mit den Augen einer Androidin zu sehen.
Und so begann es.