📖 Kapitel 18: Aqualyns Herzschlag
Die Tore von Aqualyn öffneten sich wie von einem unsichtbaren Atem getragen – langsam, kraftvoll, lautlos. Das Licht, das dahinter hervorbrach, war nicht grell, sondern warm und einladend. Es schien aus tausenden kleiner Lichtpunkte zu bestehen, als hätte jemand die Sterne eingefangen und sie zwischen Korallenriffe gelegt.
Die Gestaltwandler glitten vorsichtig hindurch. Ihre Bewegungen passten sich mit jeder Sekunde mehr dem Element an. Es war, als hätte das Wasser selbst begonnen, mit ihnen zu tanzen.
Aqualyn war mehr als eine Stadt. Es war eine lebendige Erinnerung.
Zwischen den schimmernden Gebäuden bewegten sich Wesen, die kaum in Worte zu fassen waren: Tintenfischartige Weisen mit leuchtenden Augen, schlangenförmige Tänzer, schillernde Wesen halb Tier, halb Licht. Und sie alle blickten neugierig auf die Neuankömmlinge. Doch keine Feindseligkeit lag in ihren Augen – nur Staunen.
Ein junger Wasserdrache mit glasiger Haut und durchscheinenden Schuppen schwamm an Jennifer vorbei. Seine Stimme klang in ihren Köpfen, nicht in ihren Ohren.
„Ihr habt das Portal durchquert. Das ist selten. Sehr selten.“
Jennifer nickte nur, zu überwältigt von der Schönheit des Ortes, um sofort zu antworten.
Eshan trat vor. „Wir suchen Erkenntnis. Und wir suchen unsere nächste Gestalt.“
Der Wasserdrache lachte leise – wie das Plätschern eines Brunnens.
„Dann müsst ihr zum Herzen. Aqualyns Zentrum schlägt nicht mit Blut, sondern mit Erinnerung. Nur wer sich erinnert, kann vollständig wandeln.“
„Woran sollen wir uns erinnern?“ fragte Kael, seine Stimme leicht gedämpft im Wasser.
„An das, was ihr wart, bevor ihr wurdet. An euer Innerstes.“
Der Drache drehte sich und schwamm voraus. „Kommt. Der Weg ist nicht gefährlich – nur ehrlich.“
Sie durchquerten Gassen aus schimmernden Muscheln, schwammen unter Torbögen, die sich bei ihrer Nähe öffneten, und kamen schließlich in eine riesige Kuppelhalle, in deren Mitte ein gewaltiger, langsam pulsierender Kristall schwebte.
Er schien aus purem Wasser zu bestehen – flüssig und doch geformt.
„Das ist Aqualyns Herz,“ erklärte Eshan mit ehrfürchtiger Stimme. „Es speichert die Essenzen all jener, die den Wandel vollzogen haben.“
Jennifer schwamm näher, zögernd. Das Herz begann zu leuchten, sobald sie sich näherte – nicht grell, sondern… als würde es sie erkennen.
Plötzlich blitzten Bilder vor ihren Augen auf:
– ein Kind, das im See spielt
– eine junge Frau, die nachts bei Regen tanzt
– eine fließende Bewegung zwischen zwei Welten
Sie keuchte. „Das bin ich.“
„Es zeigt uns nicht die Zukunft“, sagte Eshan leise, „sondern den Teil von uns, der nie vergessen wurde.“
Kael trat ebenfalls näher – sein Bild war stürmischer: ein Junge, der gegen den Strom schwamm, der lernen musste, Vertrauen nicht mit Kontrolle zu verwechseln.
Und dann: Taro. Der Kristall flackerte auf, stärker, dunkler. Bilder von Einsamkeit, aber auch von Beobachtung, von Worten, die nie gesagt wurden. Von einer Sehnsucht, gehört zu werden.
Als sich Elin näherte, flutete das Herz mit Licht. Ihr Bild war klar, fast schon leuchtend: Der Wald, der See, das freie Spiel in der Natur – und der Schmerz, nicht überall dazu zugehören.
Doch dann… eine neue Bewegung. Etwas Unruhiges.
Aus dem Herzen selbst formte sich ein Wesen – halb Strömung, halb Erinnerung. Es sprach nicht, aber man fühlte, was es wollte: Prüfung. Erkenntnis. Wandel.
Und so begann der nächste Schritt ihrer Reise – nicht gegen einen Feind, sondern gegen sich selbst.
🌊 Ende von Kapitel 18
Was zeigt das Herz jedem von ihnen? Werden sie ihre Wassertiergestalten meistern – oder verlieren sie sich in der Tiefe ihrer eigenen Erinnerungen?
Bald geht’s weiter… und diesmal tiefer als je zuvor. 💧🌀